Mediation oder Paartherapie?

Mediation und Paartherapie im korrespondierenden Vergleich

„Der Mensch wird am Du zum Ich“*1 – Martin Buber 1878 – 1965

Menschen brauchen soziale Beziehungen, um ein zufriedenes oder glückliches Leben führen zu können. Beziehungen bedeuten aber immer auch zumindest mögliche Konflikte. Konflikte können im Nachhinein als Bereicherung wahrgenommen werden, an denen der Mensch wächst. Im gegenwärtigen Erleben kann ein Konflikt unlösbar erscheinen und Kraft binden. Es kann dann hilfreich sein, sich bei der Lösung des Konfliktes Hilfe zu suchen.
Zur Begleitung einer Konfliktlösung bieten sich verschiedene Methoden an: Mediation, Paartherapie, Coaching und Beratung.

Definition der Begriffe Mediation und Paartherapie
Bundesverband Mediation: „Mediation ist eine hochwertige Dienstleistung von Mediatorinnen und Mediatoren aus verschiedenen Berufs- und Tätigkeitsfeldern. Sie befähigt Konfliktparteien zu einem gemeinsamen Umgang mit Konflikten, führt zu Klärung von Beziehungen und entwickelt die Konfliktkompetenz der Medianden. Mediation ist gekennzeichnet durch Ergebnisoffenheit, Vertraulichkeit und Freiwilligkeit. Mediatorinnen und Mediatoren handeln allparteilich, sind frei von Kontextverantwortung und verfügen über ein professionelles Konfliktverständnis.“
Wikipedia: „Paartherapie ist eine Form psychologischer Arbeit, mit dem Ziel der Aufarbeitung und Überwindung partnerschaftlicher Konflikte. Sie stellt, anders als die Psychotherapie in Gruppen, keine Heilbehandlung dar. Paartherapie dient primär der Bearbeitung akuter oder chronischer Konflikte in einer Paar- bzw. Zweierbeziehung.“

Im folgenden möchte ich näher auf Mediation und Paartherapie eingehen und diese Methoden korrespondierend darstellen und vergleichen.

In der Mediation und in der Paartherapie haben die Berater gegenüber den Konfliktparteien eine wertschätzende Haltung und ein Menschenbild, welches davon ausgeht, dass die beteiligten Personen über Ressourcen verfügen, die es grundsätzlich ermöglichen, den Konflikt, den sie miteinander haben, zu lösen.
Außerdem wertet weder der Mediator, noch der Therapeut. Die Werte und Normen des Klienten oder Patienten werden vorbehaltlos akzeptiert. Eigene Vorstellungen sollten vollkommen zurückgestellt werden. Dies gelingt umso besser, je mehr Selbsterfahrung der Therapeut oder der Mediator gemacht hat.
Zudem gehen beide davon aus, das es sowohl eine Sachebene (die zumeist im Vordergrund steht) und eine Gefühlsebene gibt, die zu dem Konflikt gehören.
Hinter einer sachlichen Forderung steckt ein oft dringendes, schwer benennbares oder vertretbares Bedürfnis, wohinter meist wieder eine verdrängte Erfahrung von Not steht. Um diese Bedürfnisse oder Nöte zu erkennen, bzw. herauszuarbeiten, ist es notwendig, dass der Therapeut oder Mediator sich gut auf seine Klienten einstellen kann und seine eigenen Bedürfnisse kennt und nicht in den Prozess einbringt.
Bei Paaren gibt es in den meisten Fällen unausgesprochene Vertragspunkte und deutliche gesellschaftliche Vorgaben, die es zu erfüllen gilt, bzw. deren Verletzungen zu massiver Enttäuschung führen.
Daher kommen zu den Emotionen und der Sachebene, noch mehr als bei der Mediation in anderen Bezügen, die unbewussten Erwartungen dazu.
So kommt es in kaum einer anderen Beziehung unter Erwachsenen so ausgeprägt zu Übertragungsphänomenen, die besonders Aspekte der frühen Eltern-Kind-Beziehung beinhalten.
Zudem gibt es in Paarbeziehungen eine stärkere Bezogenheit aufeinander und oft sogar eine Kollusion. Der Paartherapeut Jürg Willi schreibt dazu in seinem Buch „Therapie der Zweierbeziehung“ von 2008: „Das Vorliegen einer Kollusion lässt sich dann vermuten, wenn die Partner sich mit ihren Vorwürfen in einer Leerlaufspirale festschreiben gemäß: ich bin nur so, weil du so bist. Wenn beide diese Haltung einnehmen, werden sie mit ihren Vorwürfen ständig eskalieren und einander fixieren. Partner, die in eskalierenden Leerlaufspiralen gefangen sind, werden dabei immer unfähiger, aufeinander hinzuhören uns sich mit sich auseinander zu setzen. *2
Ein Beispiel für Kollusion aus meiner Praxis:
Die Ehefrau hat als Kind erlebt, wie ihre ältere Schwester sich mit den Eltern und die Eltern sich untereinander auseinandergesetzt haben. Sie hat die Aggression gespürt und sich entschieden, selbst nicht zu streiten, sondern zu schlichten. Als Ehepartner hat sie einen impulsiven Mann gewählt, der schnell wütend wird und sich nicht schnell beruhigt. Ihr ist sein Verhalten unangenehm, aber sie selbst überlässt ihm alle Auseinandersetzungen und spürt keine eigene Aggression. Diese Aufteilung ist beiden nicht bewusst.

Eine weitere Besonderheit in der Paartherapie entsteht durch ein spezifisches Verhalten von Paaren, welches Jürg Willi 1978 in einer Studie mit 87 Paaren beobachten konnte. Er fasst die Ergebnisse so zusammen:
Frauen werden „fraulicher“ und Männer „männlicher“, wenn sie in einer Paarsituation aufeinander bezogen sind, als wenn sie auf sich selbst gestellt sind.
2. Die Unterschiede zwischen Frau und Mann sind im sozialen Verhalten ausgeprägter als im emotionalen Erleben.*3
Diese Besonderheit gilt es in der Paartherapie besonders zu beachten, auch wenn nicht auszuschließen ist, dass es bei Konfliktparteien in der Mediation auch vorkommt.

Mediator und Paartherapeut nehmen die Metaebene ein, aus der sie allparteilich (Allparteilichkeit ist ein Begriff, den 1977 der Familientherapeut Helm Stierlin geprägt hat) auf den Konflikt schauen können.
Sowohl bei Konfliktparteien, als auch bei Paaren, gibt es oft eine Partei, die die Initiative ergreift und beim Erstkontakt den Mediator oder Therapeuten auf „ihre Seite ziehen“ möchte. Oftmals weiß die andere Partei gar nichts von der Kontaktaufnahme und der beabsichtigten Mediation oder Therapie.
Es ist aber ungemein wichtig, dass keine der beteiligten Parteien sich dadurch im Nachteil sieht, dass die andere Partei ihre Sicht schon einbringen und womöglich eine Koalition mit dem Mediator oder dem Therapeuten bilden konnte.
Daher sollte der Mediator oder Therapeut immer darauf bestehen, dass beide Parteien im gemeinsamen Erstgespräch ihre Sicht schildern. Das schafft Vertrauen und macht es auch dem Mediator oder Therapeuten leichter allparteilich zu agieren. Schwieriger ist es, wenn eine der Parteien Auftraggeber und „Bezahler“ ist (eher bei der Mediation). Es ist dann wichtig beim ersten gemeinsamen Termin alle Beteiligten auf den gleichen Kenntnisstand zu bringen.
Alle Beteiligten sollten die Mediation oder Therapie als gemeinsame Maßnahme betrachten.
Dazu Jürg Willi: „Mit der Art, jedes Phänomen immer von beiden Seiten darstellen zu lassen, versuche ich, dem Paar schon in den ersten Minuten meine therapeutische Haltung zu vermitteln:“Jeder von euch hat hier das Recht, das, was sich zwischen euch ereignet, aus seiner Sicht zu vertreten. Ich bemühe mich, jeden von euch so gut ich kann zu verstehen, und ich bin überzeugt, das alles, was sich zwischen euch ereignet, nicht Sache des einen oder des anderen ist, sondern eine gemeinsame Angelegenheit. Ich erwarte, dass jeder sich in der Therapie aktiv beteiligt, und lasse nicht zu, dass einer sich völlig passiv aus der Sache hält oder das Gespräch ganz für sich beansprucht. Ebenso möchte ich verhindern, dass der eine den anderen in ungebührlichem Maße verletzt und vor mir bloßzustellen versucht. Ich möchte mich mit keinem von beiden in eine Sonderallianz einlassen, sondern möchte mich mit dem Paar als Ganzem in Beziehung setzen.“*4
Diese Allparteilichkeit ist nicht immer leicht einzuhalten, aber ein Aufgeben kann und wird in den meisten Fällen das Ergebnis beeinträchtigen, wenn nicht gefährden.

Mediation und Paartherapie sollen ergebnisoffen sein. Bei der ein oder anderen Konfliktparteien ist das schon schwer zu akzeptieren, in der Paartherapie ist es fast immer der Wunsch, zumindest einer Partei, die Beziehung durch die Therapie zu retten oder zu verbessern. Daher ist es in der Paartherapie nötig, explizit auf die Ergebnisoffenheit hinzuweisen, damit nicht bestimmte Erwartungen den Prozess einengen und die Enttäuschung voraussehbar ist.
Allerdings wird heutzutage eine Trennung oder Scheidung während oder nach der Paartherapie nicht mehr als Scheitern gewertet.

Sowohl in der Mediation, als auch in der Paartherapie soll es auf eine „Win-Win-Situation“ hinauslaufen.
Die Mediation oder Therapie ist dann erfolgreich, wenn sich keine der Parteien als Verlierer fühlt.
Schon während des Klärungsprozesses ist es eine Aufgabe des Mediators oder Paartherapeuten, darauf zu achten, dass sich nicht eine der beiden Parteien als überlegen fühlt und es den anderen spüren lässt. Dies ist umso wichtiger, wenn es (bezieht sich auf das Arbeitsleben) hierarchische Unterschiede bei den Konfliktparteien gibt. Aber auch bei Paaren gibt es „Rollen“, die es erschweren, dass sich beide als gleich wertvoll erachten. Dies kann im Laufe der Therapie (bei der Kollusionsklärung) bearbeitet werden.

Es werden vorab gemeinsame Regeln festgelegt, die einen sicheren Rahmen schaffen.
Dabei wird zum Beispiel die Freiwilligkeit abgefragt und Vertraulichkeit von allen Beteiligten zugesichert. Vertraulichkeit wird bei dem Therapeuten vorausgesetzt, der Mediator sichert sie zu, aber auch die Parteien sollen die Inhalte nicht nach draußen tragen.
Es ist unerlässlich, dass die Parteien in der Mediation und in der Paartherapie ihre zwischenmenschlichen Beziehungen in Offenheit und Unmittelbarkeit darlegen und der Tendenz zur Verleugnung und Verheimlichung widerstehen.
Nach Thomann und Prior ist Freiwilligkeit nicht notwendigerweise eine Voraussetzung (im Arbeitskontext): „Er (eine der Konfliktparteien) könnte allerdings auch versuchen, die anderen zu einem Gespräch zu zwingen. Das wäre zwar kein „schöner“ Ausgangspunkt, aber tolerierbar. Die Konfliktparteien müssen weder im kollegialen noch in hierarchischen Konstellationen freiwillig zu einem Klärungsgespräch erscheinen. Bedingung ist nur, dass sie bei der Sitzung anwesend sind. Ihr begreiflicher Widerstand wird thematisiert und akzeptiert.*5
In der Paartherapie gilt selbstverständlich, wie bereits oben erwähnt, die Freiwilligkeit. Hinzu kommt allerdings die Frage nach den Themen, die keinesfalls angesprochen werden sollen. Dies dient der Entspannung (Angst vor „Tabu-Themen“ wird genommen) und der Reduktion der Komplexität.
Dies gilt insbesondere bei der Sexualtherapie.

Beide Konfliktparteien erhalten den Raum und die Zeit ihre Sicht vollständig zu schildern, ohne das der Mediator oder Paartherapeut diese wertet.
Durch das Paraphrasieren von Mediator oder Therapeut wird zum einen für alle Beteiligten deutlich, wie es die Konfliktpartei gemeint hat und jede Partei fühlt sich ernst- und angenommen.
Paraphrasieren bedeutet, dass der Therapeut oder Mediator jeweils einer Partei zuhört und dann das Wesentliche mit seinen Worten wiedergibt. Das kann entweder wörtliche Wiedergabe, eine Zusammenfassung, eine übertriebene Darstellung oder eine positiv umformulierte Zusammenfassung sein. Diejenige Partei, dessen Aussage paraphrasiert wurde, kann dazu Stellung nehmen, indem sie das Gesagte als richtig oder falsch bewertet. Die jeweils andere Partei hört den Inhalt praktisch zweimal und kann danach auch in Ruhe ihren Beitrag bringen, in der Gewissheit, dass auch sie entweder richtig verstanden wird oder es noch korrigieren kann.

Eine weitere Form der Klärung im Gespräch mit den Konfliktparteien oder Paaren ist das Doppeln. Das geht nach der festen Formel: „Darf ich mal neben Sie kommen, für Sie etwas sagen, und Sie sagen dann, ob es so stimmt?“ Nach der Erteilung der Erlaubnis erhebt sich der Klärungshelfer von seinem Platz, begibt sich zur Person hin und geht dort neben ihr in die Hocke, mit Blickrichtung zur Gegenpartei. Dann spricht er in direkter Rede, als wäre er die Person, für die er spricht. Anschließend fragt er diese, ob es für sie genau so stimmt. Wenn sie nicht sofort und spontan bejaht, sagt er von sich aus:“Nein, stimmt nicht. Sagen Sie bitte selber, wie es stimmt.“ Nach dem Doppeln geht er wieder auf seinen Platz zurück und fragt von da aus die Gegenpartei, wie sie darauf reagiert oder ob sie das glauben kann. Was dann gesagt wird, kann er wiederum doppeln. Diesmal natürlich für die Gegenpartei.*6
Doppeln ist besonders wertvoll, wenn einer oder beide Parteien ihre Gefühle gar nicht ausdrücken können. Es ist praktisch ein Übersetzungsangebot. Wichtig dabei ist, dass man falsch liegen kann und das auch in Ordnung ist. Auch das dient der Klärung.

Eine Vorgehensweise, die in der Mediation eher nicht vorkommt, ist das zirkuläre Fragen. Diese Technik kommt aus der systemischen Familientherapie. Die grundlegende Überlegung dieser Methode ist, dass in einem sozialen System alles gezeigte Verhalten immer (auch) als kommunikatives Angebot verstanden werden kann: Verhaltensweisen, Symptome, aber auch die unterschiedlichen Formen von Gefühlsausdruck sind nicht nur als im Menschen ablaufende Ereignisse zu sehen, sondern sie haben außerdem immer eine Funktion in den wechselseitigen Beziehungsdefinitionen und Erwartungs-Erwartungen.*7
Man befragt dabei die eine Partei, was die andere Partei oder eine dritte, nicht anwesende Person, dazu sagen würde oder das Problem beschreiben würde oder welche Lösung diese Person wohl anbieten würde oder wie es der Person wohl geht, wenn eine bestimmte Situation vorliegt. Dabei muss sich die befragte Person in eine andere hineinversetzen. Diese Perspektivwechsel können neue Impulse in die Klärung bringen. Daher wird diese Methode in der Paartherapie genutzt.

Eine besondere Rolle kommt der gewaltfreien Kommunikation zu.
Zum einen wendet der Therapeut, bzw. der Mediator diese an, zum anderen sollen die Paare oder Konfliktparteien modellhaft lernen, so miteinander umzugehen. Letzteres gilt allerdings besonders für die Paartherapie.
Ein Beispiel von Jürg Willi: „Ein Ehemann veranlasst die Hospitation seiner schwer depressiven und suizidalen Frau in eine psychiatrische Klinik. Dort sagt er der behandelnden Ärztin, er werde seine Frau erst mach Hause nehmen, wenn sie wieder ganz gesund sei. Vorher wolle er nichts mehr mit ihr zu tun haben. Die Ärztin reagierte aufgebracht: „Sie wollen sich wohl einfach um die Auseinandersetzung mit der Krise der Frau drücken, ohne sich zu fragen, ob nicht Sie die Schuld an der Depression der Frau tragen. Offensichtlich haben Sie an Ihrer Frau nur Interesse, solange sie Ihnen ihr Sonntagsgesicht zeigt.“ Der Mann weigerte sich in der Folge, an der von der Klinikärztin empfohlenen Paartherapie mitzumachen. Die Frau wurde in leicht gebessertem Zustand entlassen und einem anderen Psychotherapeuten (männlich) zugewiesen, der die Behandlung jedoch nur akzeptierte, wenn der Mann bereit wäre, zumindest zur ersten Besprechung mitzukommen. Der zweite Therapeut äußerte sich nun dem Mann gegenüber etwa in folgender Weise: „Aus Ihren Bemerkungen, die Sie in der Klinik geäußert haben, glaube ich herauszuhören, dass Sie sich durch die depressive Stimmung Ihrer Frau so belastet fühlen, dass Sie selbst nicht weiterkommen. Sie haben vielleicht gehofft, die Klinik werde Ihnen die Sorgen um Ihre Frau abnehmen und sie Ihnen in ausgeglichener Stimmung zurückgeben. Ich glaube aber, dass in der gegenwärtigen Situation weder Sie noch ich allein der Frau helfen können, sondern dass wir es alle drei zusammen versuchen sollten.“ Der Mann berichtete daraufhin sehr ausführlich, was er alles mit seiner depressiven Frau schon durchgemacht habe und wie sehr er sich bemühen musste, nicht selbst von der Depression seiner Frau angesteckt zu werden. Er war offensichtlich erleichtert, hier nun nicht die erwarteten Anschuldigungen zu hören, sondern die Gelegenheit zu haben, über seine Sorgen und seine Lebensgeschichte berichten zu können. Er erzählte, wie sehr er durch den passiven Widerstand der Frau gekränkt sei, zum Beispiel, wenn sie sich weigere, den Haushalt zu besorgen, alles herumliegen lasse oder sich ihm sexuell entziehe. Die depressive Reaktion der Frau habe ihn sehr belastet, habe er doch neben der Berufsarbeit noch weitgehend den Haushalt und die Kinder bewältigen müssen. So fühlte er sich völlig allein gelassen. Zum großen Erstaunen der Frau äußerte er dann eigene Ängste und Empfindsamkeiten, über die er ihr nie zuvor berichtet hatte.*8
Hätte der Therapeut hier keine gewaltfreie Kommunikation angewendet, wäre es gar nicht zu einer Paartherapie gekommen, da der Mann sich verweigert hätte, aus Angst sich verteidigen zu müssen und unverstanden zu bleiben.
In diesem Beispiel wurde Beobachten, ohne zu bewerten und Bedürfnisse erkennen angewendet. Diese Methoden sind zwei von vier Komponenten der gewaltfreien Kommunikation.
Die zwei weiteren Komponenten sind Erkennen und Äußern von Gefühlen und aus den Bedürfnissen eine Bitte ableiten und formulieren.

Ein fester Bestandteil der Mediation ist das Brainstorming. Diese Methode findet in der Paartherapie kaum Anwendung. Dabei sollen die Konfliktparteien zunächst, möglichst ohne Einschränkungen, Lösungen entwickeln.
Der Mediator sammelt diese zunächst nur, ohne sie zu bewerten, möglichst schriftlich (am Flipchart).
Steve de Shazer hat die „Wunderfrage“ eingeführt , die in der Paartherapie zu einer lösungsorientierten Haltung führen kann. Die Wunderfrage lautet zum Beispiel: Wenn über Nacht ein Wunder geschähe, was wäre morgen anders, wie wäre das Problem gelöst? Der Klient soll möglichst detailliert beschreiben, was sich positiv verändert haben wird.

Die Lösungsfindung und die Vereinbarungen werden sowohl in der Mediation, als auch in der Paartherapie von dem Mediator oder Paartherapeuten moderiert. In der Mediation wird das Ergebnis als Memorandum schriftlich festgehalten, in der Paartherapie eher nicht.

Ein relativ neuer Bereich in der Mediation, mehr als in der Paartherapie, ist der Umgang mit interkulturellen Konflikten. Durch die Globalisierung hat sich auch die moderne Arbeitswelt verändert. Viele Kollegen haben einen anderen kulturellen Hintergrund. Sie versuchen, mehr oder weniger erfolgreich, sich an die gegebenen Umstände anzupassen. Im Konflikt brechen die Unterschiede wieder auf. Daher ist es hilfreich, wenn sich der Mediator darauf vorbereitet. Es gibt mittlerweile Literatur zu den kulturellen Unterschieden (auf bestimmte Länder bezogen: Moosmüller – Vom Erzählen peinlicher Begebenheiten. Als Ausländer in Japan, Martin & Thomas – Beruflich in Indonesien, Thomas & Schenk – Beruflich in China oder global: Erin Meyer – the Culture Map, Buhl-Böhnert – Interkulturelle Kompetenz, Hofstede – Culture’s consequences, Heimannsber – Interkulturelle Beratung), die man vorher gelesen haben sollte. Nur dann kann man in der Konfliktbearbeitung, z. B. anhand des Kommunikationsquadrates und des Wertequadrates nach Friedemann Schulz von Thun, die dahinter liegenden Erwartungen, Wünsche, Emotionen u.s.w. verstehen und deutlich machen. Wichtig ist hierbei immer auch, dass man sich der eigenen kulturellen Prägung bewusst ist und damit auch der besonderen Schwierigkeit, in dieser Konfliktberatung eine allparteiliche Stellung einzunehmen und beizubehalten. Typische Konfliktthemen sind offene versus verdeckte Kommunikation, Umgang mit Hierarchien und der Umgang mit Zeit.

Fazit:

Grundsätzlich unterscheidet sich Paartherapie nicht sehr wesentlich von Mediation, was die Einstellung und Vorgehensweisen angeht. Viele Methoden werden in beiden Verfahren eingesetzt.
Mediation und Paartherapie (bzw. zunächst die systhemische Familientherapie) sind zirka zeitgleich in den USA entstanden.
Die Mediation hat allerdings Jahrtausend alte Wurzeln in verschiedenen Kulturen, unter anderem im antiken Griechenland, in Asien und Afrika.
Im 20. Jahrhundert bezieht sich die mediative Haltung auf die humanistische Psychologie, die wiederum ihre philosophischen Wurzeln in der Existenzphilosophie, in der Phänomenologie, im klassischen Humanismus und im Humanismus moderner französischer Prägung hat.*9
Die Ressourcenorientierung in der Mediation entstammt der lösungsorientierten Psychotherapie.*10
Die Paartherapie hat sich aus der systemischen Familientherapie , die ihre Anfänge in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts in Kalifornien hatte, entwickelt.
In Europa hat Jürg Willi in den 70er Jahren das Kollusionskonzept erarbeitet und damit eine Brücke zwischen der Psychoanalyse und der systemischen Therapie geschlagen.
Steve de Shazer hat in den 80er Jahren die lösungsorientierte Therapie vorgestellt, die auch Elemente des Konstruktivismus enthält.
Mittlerweile gibt es viele verschiedene Paartherapie-Formen. Man kann allerdings zwei Grundformen unterscheiden:
die konfliktverarbeitenden, psychodymanisch orientierten Verfahren
die verhaltensmodifizierenden, system- und kommunikationstheoretischen Verfahren*11
Die letztgenannten Verfahren bedienen sich vieler Elemente, die auch in der Mediation eingesetzt werden.

Anhang – Literaturverzeichnis

1 Martin Buber, Ich und Du 1983, Seite 28
2 Jürg Willi, Therapie der Zweierbeziehung 2008, Seite 14/15
3 Jürg Willi, Therapie der Zweierbeziehung 2008, Seite 27
4 Jürg Willi, Therapie der Zweierbeziehung 2008, Seite 46/47
5 Christoph Thomann und Christian Prior, Klärungshilfe 3 Das Praxisbuch 2013, Seite 45
6 Christoph Thomann und Christian Prior, Klärungshilfe 3 Das Praxisbuch 2013, Seite 151
7 Arist von Schlippe und Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I 2013, Seite 251
8 Jürg Willi, Therapie der Zweierbeziehung 2008, Seite 70/71
9 Jürgen Kriz, Grundkonzepte der Psychotherapie 2007, Seite 155
10 Doris Klappenbach, Mediative Kommunikation 2006, Seite 47
11 Jürg Willi, Therapie der Zweierbeziehung 2008, Seite 80

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